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Unruhige Zeiten

Zurzeit haben wir eine Pechsträhne. Nach 3 Tagen Olivenernte mit jeweils 10 Stunden-Tagen und strenger Arbeitsatmosphäre merken wir, dass unsere Kräfte schwinden. Wir sind immernoch unentschlossen, was wir tun sollen. Doch nach einem Gespräch mit der Chefin entschließen wir uns doch, abzureisen. Wir fahren erstmal mit dem Bus zurück ans Meer nach Porto San Giorgio. Dort übernachten wir und suchen spontan weiter nach neuen Arbeitgebern. Ab und zu möchten wir auch eine Stelle für Geld annehmen, um unsere Reisekosten zu decken. Wir suchen also nicht nur auf workaway.info, sondern auch auf einer internationalen Jobseite.

Dort finden wir die Anzeige einer Tierschutzstation in der Toskana, die Unterstützung für Kost, Logis und Vergütung sucht. Das hat zwar nichts mit Selbstversorgung zu tun, wir sind aber froh über jede sich bietende Gelegenheit und möchten das Projekt, das von einer Deutschen geleitet wird, unterstützen. Nach einem kurzen Telefonat beschließen wir, sofort loszufahren. Da die Zugverbindungen umständlich und teuer sind, wollen wir das erste Mal trampen. Etwa 300km an einem Tag, das sollte zu schaffen sein (jedenfalls schneller als 7 Stunden Zugfahrt - Anm. v. Arno). Nun, wir landen nach vielen enttäuschenden Stunden in Perugia, knapp über die Hälfte der Strecke ist geschafft. Uns wird klar, dass wir es an diesem Tag nicht mehr bis nach Grosseto schaffen können. Da wir aber den Abend noch nutzen wollen, fahren wir mit dem Zug noch weiter bis nach Siena und kommen dort 21:45 an. Auf der Fahrt suchen wir uns noch eine Jugendherberge für die Nacht, dort kommen wir dann um 22:15 endlich an und müssen in getrennten Zimmern mit einem fremden Zimmergenossen übernachten (dafür war es leider ziemlich überteuert). So spontan ließ sich kein Couchsurfer finden. Trotz der Umstände freuen wir uns auf die neue Arbeitsstelle und hoffen, endlich anzukommen. Wir erkunden am Sonntag die schöne Innenstadt von Siena, essen in einer traditionellen Osteria traumhafte Pasta und Suppe und fahren dann mit dem Zug nach Grosseto.

Dort werden wir von einem jungen Mann abgeholt und zur Tierschutzstation in die abgelegenen Berge gefahren. Die Verständigung ist von Anfang an schwierig, leider sprechen alle mehr oder weniger nur italienisch und die Leiterin ist nicht zu erreichen. So helfen wir einfach erstmal mit beim Hunde ausführen und beziehen unser Zimmer. Alles ist ziemlich chaotisch und laut, immerhin leben hier etwa 30 Hunde und 40-150 Katzen pro Haus. Aber wir gehen abends schlafen und hoffen auf etwas Aufklärung und gute Stimmung am nächsten Morgen. Wie erwartet besteht die Arbeit hauptsächlich aus putzen, füttern und Gassi gehen, die Männer erledigen kleine Bau- und Reparaturarbeiten. Es gibt wenig Pausen und unser Lohn ist noch nicht endgültig abgeklärt. Wir werden skeptisch, der Tag ist sehr lang. Am späten Nachmittag werden wir zum Haus der Chefin gerufen und lernen sie kennen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Sie geht sofort sehr unfreundlich auf uns los, beschimpft uns und macht uns Vorwürfe. Sie sagt, sie hätte mit Deutschen bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht und unterstellt uns diverse Sachen. Sie macht uns unmissverständlich klar, dass hier absolute Unterordnung gefragt ist und kritische Nachfragen unerwünscht sind. Wir sind beide absolut geschockt von ihrem Verhalten und wissen nicht, was wir tun sollen. Wir sind mitten im Nirgendwo und wollen nur noch weg. Am Abend ruft sie uns nochmal an und sagt uns, dass wir gehen sollen. Das haben wir aber schon längst für uns entschieden. Wir vermuten, dass uns jemand aus unserer Arbeitsgruppe hintergangen hat und ihr falsche Dinge über uns und unsere Arbeitsweise erzählt hat. Wir erfahren, dass alle einem sehr großen Druck durch die Chefin ausgesetzt sind und jeder für sich selbst in diesem Umfeld überleben muss. Diese Arbeitsatmosphäre erlaubt uns in keiner Weise, produktiv zu arbeiten und macht die Menschen dort kaputt. Wir sind traurig, enttäuscht und ratlos. Am nächsten Morgen um 6 Uhr bringt uns jemand zur nächsten Bushaltestelle, die Verabschiedung fällt äußerst kühl aus. Wir wissen nicht, was wir falsch gemacht haben.

Erschöpft fahren wir nach Follonica an die Mittelmeerküste. Hier wollen wir uns erstmal ein paar Tage Auszeit nehmen und in Ruhe nach neuen Höfen suchen. Wir geben lieber das Geld für ein paar Übernachtungen aus, als noch einmal so kurzfristig einem Arbeitgeber zu vertrauen. Langsam verdauen wir das Ganze, wir sind aber trotzdem unsicher, wie es jetzt weitergeht. Auf jeden Fall wollen wir wieder zu einem Selbstversorgerhof. Wie wir in Österreich gesehen haben, lernen wir dort einfach am meisten und wir hoffen auf ein gutes Miteinander.

Das Positive an der derzeitigen Situation ist, dass wir ein paar Städte kennenlernen und etwas das Leben in Italien genießen können. Außerdem schweißt uns diese schwierige Zeit sehr zusammen. Wir sind gespannt, wo es uns als Nächstes hin verschlägt...