· 

Goldener Herbst

Endlich: Der Holzvorrat ist gespalten und eingeschichtet, der Winter kann kommen! Naja, noch nicht ganz, aber zumindest ist damit schon eine sehr wichtige Arbeit geschafft. Der Blick aus unserem Fenster wird jeden Tag schöner. In den umliegenden Bergen schreitet die Laubfärbung schon stark voran und ergibt zusammen mit der Sonne ein schönes Bild. Abends wird es aber schon sehr kühl und morgens hält sich der Raureif lange auf den Blättern. Wir stellen einmal mehr fest, dass es sich sehr gut anfühlt, nach den Rhythmen der Natur zu leben. Unsere Gastfamilie richtet sogar sämtliche Gartenarbeiten nach dem Mondkalender aus.

Unsere Aufgaben waren diese Woche sehr divers: den Eselstall ausmisten, Marmelade einkochen, putzen, einen umgestürzten Baum beseitigen und ein paar Aufräumarbeiten auf dem Gelände erledigen. Arno hat eine ziemlich starke Erkältung und bekommt meist ein paar leichtere Küchenarbeiten im Haus. Außerdem kann er seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Nähen, nachgehen. Die Familie trocknet Lavendel und näht diesen in kleine Säckchen. Der hausgemachte Salbeitee trägt schon zu Arnos Heilung bei und die Erkältung wird hoffentlich in ein paar Tagen abgeklungen sein. An einem freien Tag haben wir den wunderschönen Wald erkundet, der das Grundstück umgibt. Er ist sehr ruhig und glücklicherweise noch recht unberührt. Wir haben ein Reh gesehen und einen(!) Pilz gefunden. Ein Highlight war für uns auch das Sammeln von wilden Esskastanien (und der Genuss derselben, gebraten und flambiert mit Zwetschgenschnaps) und Hagebutten mit der Familie.

Ansonsten genießen wir Juttas atemberaubende saisonale Küche und unterhalten uns viel mit der Familie über ihre Lebenseinstellung. Wir finden es toll, dass alle konsequent, aber niemals dogmatisch beim Thema Selbstversorgung sind. Einige Sachen kauft die Familie zu, wie beispielsweise Milchprodukte aus einem nahen Ort oder Bio-Pasta. Auch das Getreide bezieht die Familie teilweise von einer Mühle. Kosmetik und Waschmittel dagegen sind zu einem Großteil selbstgemacht. Kleidung wird repariert und sehr lange getragen, Baumaterialien möglichst wiederverwendet oder aus nachhaltigen Quellen bezogen.

Wir haben wieder einige Erkenntnisse gewonnen. Durch unsere begrenzten Gepäckressourcen fällt uns auf sehr angenehme Weise auf, wie wenig (gute!) Kleidung man eigentlich benötigt. Aussehen und Kleidungsstil spielen außerdem im Selbstversorgerleben keine Rolle. Jeder wird gleich behandelt und man achtet viel mehr auf den Charakter einer Person. Zum Thema Tierhaltung haben wir auch eine wichtige Erfahrung gemacht. Anders als in Österreich essen wir hier nur selten Fleisch und die Familie hält hauptsächlich Kleinvieh. Das macht bedeutend weniger Aufwand, die Schlachtung ist einfacher und man braucht weniger Platz. Geflügel und Hasen decken eigentlich den Fleischbedarf. Ein Luxus wäre noch Fisch aus dem Fluss, der zum Grundstück gehört. Die Familie angelt aber nicht, da es sich nicht richtig lohnt.

Auf jeden Fall sind Wald und ein eigenes Gewässer von Vorteil bei der Selbstversorgung.

Die ZEIT hat im Juli einen interessanten Artikel über unser Konsumverhalten in Zukunft veröffentlicht. Wir finden ihn sehr passend und haben die Aussagen auf unserer Reise bisher schon bestätigt gefunden. Es reicht nicht aus, nur auf nachhaltige Alternativen umzusteigen und immernoch genauso viel zu kaufen. Wir müssen unseren Lebensstandard herabsetzen, egal wie unbequem das ist. Ansonsten sind die Folgen unseres derzeitigen Kaufverhaltens (nicht nur) für die nachfolgende Generation nicht mehr tragbar. Weniger Besitz macht außerdem offensichtlich sehr glücklich. Die Menschen, die wir bisher getroffen haben, waren aus tiefster Überzeugung Selbstversorger. Trotz der harten Arbeit wirkten sie immer zufrieden und mit sich selbst im Reinen. Dagegen sind die meisten Workawayer, die wir getroffen haben, mit ihrem bisherigen Computerjob unzufrieden und suchen nach einer sinnvollen Beschäftigung, bei der sie der Umwelt nicht schaden oder einen Konzern unterstützen, den sie eigentlich schlecht finden. Wir hoffen sehr, dass diese Bewegung sich immer weiter ausbreitet und noch mehr Menschen sich trauen, aus ihrem Leben auszubrechen, um das zu tun, was sie glücklich macht.

 

Unsere workawayer-Kolleginnen aus Brasilien und Schottland