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Ciao, Bella Italia!

Nach der Olivenernte dürfen wir die restlichen Tage in Italien Urlaub machen. Wir nutzen die Tage auf der Farm, um Olivenholz zu schnitzen, uns einfach auszuruhen und im Kopf langsam Abschied zu nehmen. Bevor es aber soweit ist, steht uns noch ein wunderschöner Tag in Sestri Levante, einer ligurischen Küstenstadt, bevor. Jutta und Marco nehmen uns mit und wir erkunden die tolle Altstadt und die "stille Bucht" bei stürmischem Sonnenschein. Die Aussicht oben auf dem Hügel und die Stadt selbst sind atemberaubend schön. Schade, dass es zum Baden schon viel zu kalt ist. Abends warten wir, bis die Sonne ins Meer eingetaucht ist und kehren dann zurück nach Pelosa. Unseren letzten Tag verbringen wir in Parma, da Juttas Sohn dahin fahren muss. Und so nutzen wir gleich die Gelegenheit, von dort aus unseren nächsten Hof in Deutschland anzupeilen. Von Parma selbst waren wir etwas enttäuscht, weil wir das typisch italienische Flair dort etwas vermisst haben. Abends steigen wir in unseren Fernbus ein und fahren über Nacht nach Deutschland.

Das Fazit nach fast 2 Monaten Italien? Man kann sich in dieses Land eigentlich nur verlieben. Auch wenn wir nicht einmal die Hälfte davon gesehen haben, ist doch die Mentalität der Menschen absolut ansteckend. Für Selbstversorger gibt es ähnliche Hürden wie in anderen Ländern, unser Eindruck ist aber dennoch, dass in den ländlichen Gebieten im Vergleich zu Deutschland eine gewisse Anarchie herrscht. Was der Staat nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Und das macht das Ganze irgendwie sehr sympathisch. Vor allem hatten wir aber sehr viel Glück mit unserer letzten Gastfamilie, die uns sowohl Italien als auch das Selbstversorgerleben besonders schmackhaft gemacht hat. Wir möchten gerne einmal wiederkommen und noch mehr von Italien sehen (und schmecken!).

Seit ein paar Tagen sind wir nun auf einem Bioland-zertifizierten Schafhof in Baden-Württemberg angekommen. Lydia, unsere Gastmutter, lebt hier meist alleine und bekommt ab und zu Hilfe von ihren Söhnen. Das Haupteinkommen des Hofes bildet die Solaranlage, die regelmäßigen Erlös einbringt. Darüber hinaus werden die Bocklämmer zum Schlachten verkauft. Lammfleisch und etwas Gemüse produziert die Familie für den eigenen Bedarf, vor einigen Jahren gab es auch noch Schweine und eine kleine Mutterkuhherde. Die Direktvermarktung der Produkte kam leider nie richtig ins Rollen und der Arbeitsaufwand stand in keinem Verhältnis zum Preis, den man für seine Produkte erzielen konnte. Viele Menschen wollten nur die besten Stücke vom Tier und auf den Innereien blieb man dann sitzen. Deswegen wurde alles etwas reduziert und beim Anspruch Abstriche gemacht. Nichtsdestotrotz gibt es hier einen demeter-Hof direkt nebenan, der Milch, Fleisch und Gemüse produziert. Von dort stammt ein großer Anteil unseres Essens.

Zum Hof gehören 13ha Weideland, einen Teil davon beweiden gerade 3 Esel, im Sommer nutzen es die Schafe. Außerdem wird eine Naturschutzfläche von den Schafen entbuscht. Blaumeisen brüten hier, eine Schleiereule schreit nachts leise über den Hof und Wölfe sind in der Umgebung auch wieder eingewandert.

Aus naturschutzfachlicher Sicht also eine super Gegend, und wir sind froh, hier gelandet zu sein. Zwar lernen wir nicht ganz so viel über Selbstversorgung, doch es gibt unzählige handwerkliche Aufgaben, bei denen wir uns kreativ austoben dürfen. Wir ergänzen zum Beispiel den Stall um Zäune am Auslauf und um Schutzrohre für die Wasserleitungen. Es gibt außerdem Reparatur- und Selbstmachprojekte, wie eine Couch aus einer alten Autorückbank zu bauen. Da können wir uns beibringen, wie man Dinge wiederverwendet, anstatt sie wegzuwerfen. Nebenbei spart man so auch eine Menge Geld, aber das ist nicht Lydias Hauptmotivation. Sie hat, ungewöhnlich für ihr Alter, eine sehr weltoffene Art und eine erfrischende Lebensfreude. Vieles macht sie noch selbst und sie liebt ihre Schafe über alles. Über deren Haltung weiß sie viel und wir hören gern aufmerksam zu.

An unserem ersten Tag kam direkt der Schafscherer und wir durften assistieren. Das war vielleicht spannend! Mit großem Geschick schafft er es, die Schafe auf den Hintern zu setzen und sie völlig ruhig zu halten, ohne jemals Gewalt anzuwenden. Pro Schaf benötigt er nur etwa 7 Minuten. Er selbst strahlt dabei völlige Ruhe aus, doch man kann ihm ansehen, dass das ein echter Knochenjob ist. Anschließend werden noch die Klauen geschnitten, was auch interessant für uns ist. Am besten gefällt uns aber, dass für die Schafe die ganze Prozedur durch die Professionalität des Scherers sehr stressfrei abläuft. Die noch warme Wolle sortieren wir in große Säcke, das Wollfett kann man direkt zum Eincremen der Hände nutzen. Leider kann für Wolle heutzutage kaum noch ein guter Preis erzielt werden. Schließlich besteht unsere Kleidung zum Großteil aus Baumwolle oder billigen Kunstfasern. Dabei ist es so ein geniales Material. Man kann damit den Garten mulchen, es für Isolationszwecke nutzen oder eben Kleidung und Filz daraus herstellen.

Aber durch die aktuelle Marktlage liegt kubikmeterweise Wolle auf dem Heuboden des Hofes und verstaubt. Einmal mehr sehen wir, was wir als Konsumenten für einen großen Einfluss auf den Markt haben. Wenn mehr Menschen echte Wollprodukte aus Deutschland kaufen würden, würde die Nachfrage und somit der Preis für die Bauern steigen. Dann könnte die Wolle einem Zweck zugeführt werden. Und umweltfreundlich ist sie sowieso. Aber vielleicht können wir uns auch einmal selbst beibringen, Wolle zu waschen, zu kämmen und zu spinnen. Wer weiß, auch wenn es nicht mehr viele Leute machen, ist es doch nicht unmöglich.

Wir sind gespannt, was wir in den letzten Wochen vor Weihnachten hier noch so erleben werden.