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Zukunftspläne

In Hagenbach wird es langsam still. Vorweihnachtliche Stimmung breitet sich aus, wir backen die ersten Plätzchen im Holzofen und besuchen den Heidelberger Weihnachtsmarkt. Letzte Woche ist noch eine junge Amerikanerin angereist, mit der wir uns sehr gut verstehen und deutsches Bier verkosten. Draußen sind die dringendsten Arbeiten vor dem Winter fast erledigt und wir suchen uns oft Arbeiten im Haus. Auch die Wildkamera haben wir ausgewertet und auf eine andere Wiese gebracht. Die Fotos lassen allerdings noch viel Raum für (lustige) Interpretationen.

Gemeinsam mit unserer Amerikanerin oder auch nur zu zweit führen wir lange inspirierende Gespräche und träumen uns oft in die Zukunft. Welche konsequent nachhaltigen Berufsmodelle gibt es für uns? Ideen haben wir viele, doch sind sie auch realistisch? Neben der größtmöglichen Selbstversorgung gibt es ja immer noch einige Kosten zu begleichen. Wie schafft man es, diese zu decken, ohne in ein Hamsterrad aus Zwängen und ständigen Existenzängste  zu geraten? Wieviel Geld braucht man wirklich? Welche Tätigkeiten sind sinnvoll und machen glücklich? Vom Schneidern nachhaltiger Outdoor-Kleidung bis zur Beratung für einen nachhaltigen Lebensstil sind einige Ideen dabei.

Schade finden wir, dass so viele tolle nachhaltige Ideen wohl kaum einen Markt finden werden oder möglicherweise nur wenige Menschen bereit sind, dafür Geld auszugeben. Doch ebenso sind wir uns einig, dass man sich davon nicht unbedingt immer abhalten lassen sollte. Schließlich haben wir auf unserer Reise und zuvor schon sehr viele Leute getroffen, die einen Wunsch nach mehr sozial und ökologisch verträglichen Produkten oder Lebensstilen haben. Diese Bewegung scheint auch weiterhin zu wachsen, nicht nur bei jungen Leuten. Wir recherchieren auch nach vielen möglichen Praktikumsbetrieben, um eventuell im Januar eine Auszeit vom Reisen zu nehmen. Dabei stellen wir fest, dass es so viele tolle alternative Projekte und kleine Unternehmen gibt, von denen man noch gar nichts gehört hat. Auch einige junge Menschen sind dabei, die ihren Traum von einem nachhaltigen Beruf leben. Es macht großen Spaß, sich in eine solche Utopie zu begeben und ab und an die "Das ist eh unrealistisch"-Gedanken zu vertreiben.

Auch Lydia hat trotz ihres Alters keinesfalls resigniert. Vor Kurzem ist sie noch in eine Partei eingetreten, außerdem ist sie in den sozialen Medien sehr aktiv, um Menschen Tipps für die biologische Schafhaltung zu geben oder sich selbst Ideen zur Selbstversorgung zu holen. Es ist schön zu sehen, wie interessiert und kritisch sie ist.

Den gesellschaftlichen Wandel sehnen offenbar viele Menschen herbei. Das haben die Workawayer aus verschiedensten Ländern und unsere Gastfamilien bisher bestätigt. Dass es auch anders geht, als sich nur zu beschweren, haben sie alle eindrucksvoll gezeigt. In einer Demokratie ist jede und jeder angehalten, mitzugestalten. Sei es durch die eigenen Konsumentscheidungen, das Unterstützen einer Organisation, das kritische Hinterfragen der Politik oder dadurch, dass man selbst etwas ganz Neues schafft. Sicher ist oft neben der Arbeit und dem Alltagsstress wenig Zeit und Energie übrig, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Aber wer unzufrieden ist, sollte auch gleichzeitig bestmöglich versuchen, ein aktiver Teil der Lösung zu sein. Denn leider hört man immernoch sehr oft, dass die derzeitigen Verhältnisse alternativlos sind und es eh sinnlos wäre, etwas dagegen zu tun. Das finden wir schade. Schließlich kann jeder kleine Schritte beitragen, die dann in der Summe sehr viel ausmachen.

Die Gespräche mit all diesen Menschen haben uns jedenfalls stark motiviert. Manchmal hat man ja schon das Gefühl, mit seinem Interesse für Ökologie ziemlich allein dazustehen. Umso schöner ist es, zu bemerken, wieviele Menschen eigentlich genauso denken und täglich etwas bewirken.

Unsere letzte volle Woche in Hagenbach bricht an und wir haben uns noch vorgenommen, die Couch zu bauen. Außerdem betreuen wir noch 2 kranke Tiere, die hoffentlich auch vor unserer Abfahrt noch gesund werden. Die Tür und den Türrahmen haben wir jedenfalls nach einigen Tagen erfolgreich eingepasst.

Von links nach rechts: Reh, Maus, Katze, Fuchs oder Wolf?