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Mehr Selbstverwirklichung!

Es ist Weihnachten und die moderne Gesellschaft pendelt zwischen Konsumrausch und Burnout - noch mehr als zu allen anderen Jahreszeiten. Dabei ging es beim Fest zur Wintersonnenwende ursprünglich um die Besinnung auf das Innere und die Gesundheit der Seele. Wenn es draußen kalt und dunkel ist, ruht die Natur und der Lebensrhythmus der Umwelt scheint langsamer zu ticken. Wer sich auf diese Atmosphäre einlässt, kann wunderbar die Eindrücke des vergangenen Jahres, das jetzt wie im Flug vergangen zu sein scheint, auf sich wirken lassen - und spürt auch die schlummernde Kraft der Erneuerung, die der Winter mit sich bringt. Auch wir lernen nach und nach, unsere neu gesammelten Erfahrungen zu schätzen. Und ich lasse mich auf Träumereien ein, wie es wäre, einen eigenen Hof zu haben.

 

Unsere letzten Wochen unterwegs könnten auch ein Gegenbeispiel sein. Das Wetter wurde rauher und wir mussten hoffen, einen trockenen Tag zu erwischen, wenn neue Heuballen über die durchweichten Wege zum Stall gerollt werden mussten. Im Matsch gebadet war man danach sowieso, aber Hauptsache, das wertvolle Futter wird nicht zu feucht. Und von wegen Rundballen! Rund sind die 400-Kilo Pakete nie, also war es jedes mal aufs Neue ein Abenteuer, die Dinger zu Dritt über den Hof zu manövrieren. Wenigstens warm war einem dabei immer, wohingegen Bauprojekte bei wenigen Grad über Null zum Problem werden können. Entweder die Finger sind kalt und unbeweglich, oder die Handschuhe sind so dick, dass es ein Geschicklichkeitsspiel wird, das richtige Loch mit der Schraube zu treffen. Und dann noch Zeitdruck - bald kommen die knackigen Fröste und die Isolation muss überall sitzen!

Doch jetzt kommt das Aber: Danach ist alles winterfest und man kann sich zurücklehnen. Wundervoll. Die Beete sind gedeckt, ein paar Pflanzen schlummern frostsicher in der Wirtschaftsküche, ein Holzvorrat steht direkt hinterm Haus fürs Heizen und Kochen bereit, der Keller ist gefüllt mit Konserven und die Kürbisse stapeln sich unter der Küchenbank. Wenn das nicht Freiheit bedeutet! Jeder kennt schließlich das gute Gefühl, eine Aufgabe erledigt zu haben. Wie schön ist es dann, das ganze Jahr des Landlebens als erfolgreich abgeschlossen betrachten zu können?

Klar hat man dafür hart geschuftet. Wir haben geholfen, als das gesamte Holz zum Heizen eines kleinen Hotels in den Bergen Norditaliens gesägt und gespalten wurde. Wir haben selbst 250 Erdbeerpflänzchen fürs kommende Jahr in Österreich gesetzt. Wir haben jede einzelne Olive für einen Jahresvorrat an Öl gepflückt. Und wir haben Ställe ausgemistet, als wäre es ein Leistungssport. Und es sind alles so dankbare und sinnerfüllte Tätigkeiten! Natürlich waren wir auch mal körperlich ausgelaugt und mussten uns entspannen. Aber im Kopf waren wir immer erfrischt und einfach glücklich.

Besinnung heißt aber nicht nur, auf die Vergangenheit zurück zu schauen. Schon übermorgen beginnt das neue Sonnenjahr und die Tage werden wieder länger. Also ist es auch höchste Zeit, die neu geschöpfte Inspiration in Ideen fließen zu lassen und neue Projekte anzugehen. Es gibt doch so viel, was man außer Lebensmitteln noch selber produzieren kann: Kosmetika, Reinigungsmittel, Haushaltsgegenstände wie Besen oder Gefäße und Geschirr, auch Kleidung oder Möbel...

Du denkst: Irgendwo muss da doch eine Grenze sein? Na klar, die legen Deine Interessen und Talente fest. Jeder sollte genau abwägen, wo es sich für sie oder ihn lohnt oder eben nicht. Wir haben ja auch gesehen, dass gerade wer sich um einen ganzen Hof, Tiere oder einfach eine Familie zu kümmern hat, mit seiner Zeit und Energie haushalten muss. Aber trotzdem denkt man viel zu selten darüber nach. Es ist ja so selbstverständlich, einfach das zu kaufen, was gerade fehlt. Aber der Preis im Supermarkt ist letztendlich auch Lebenszeit, in der man sich das Geld verdienen musste. Und so kann es auch sein, dass es ökonomischer ist, sich beispielsweise einen Vorrat an Deocreme selbst anzurühren (siehe "Rezepte"), statt regelmäßig ein gleichwertiges Fertigprodukt zu kaufen. Spätestens dann, wenn einem auch das Gefühl, etwas selbst gemacht zu haben und genau zu wissen, "was drin steckt", etwas wert ist.

Laura hat es ausprobiert: Bienenwachs ist bei Imkern ein Abfallprodukt und alle anderen Zutaten sind ebenso günstig und können gleich als Großpackung gekauft werden. Und der Zeitaufwand - naja - ich würde dafür keinen Mindestlohn rechnen, weil es einfach Spaß macht. Das ist eben die individuelle Komponente: Ein anderer zimmert sich eben an einem Wochenende ein Möbelstück, das beim großen Möbelhaus 400 Euro gekostet hätte und nur halb so robust wäre. Wenn man bei dem Beispiel ausrechnet, wieviel Geld man pro investierte Zeit spart, könnte sich derjenige eigentlich selbst einen guten Lohn zahlen. Am deutlichsten müsste die Rechnung beim Verzicht auf Instant-Lebensmitteln ausfallen, aber die Liste ist eigentlich unendlich.

Wenn nur jeder eine Sache selber machen würde, die ihm eben liegt und Spaß macht (und die gibt es garantiert!), sähe die Welt doch auch schon anders aus. Man hat dann so schnell mehr, als man selber braucht - also kann man mit anderen das eintauschen, was man selbst einfach nicht machen will. Es geht um Freiheit und Selbstverwirklichung. Das Gegenteil sind Industrieprodukte, die einem durch manipulative Werbung aufgezwungen werden. Fast jeder kauft mal Sachen, die er vielleicht doch nicht wirklich will. Dann ist er oder sie einerseits unglücklich über den "Fehlkauf" und hat andererseits unfreiwillig Lebenszeit (in Form von Geld) investiert.

Und nicht zu vergessen: Der Mehrwert des Selbermachens besteht darin, dass die Produkte ganz automatisch umweltfreundlicher und gesünder sind. Es werden Transportwege gespart und man weiß genau, um was es sich handelt, volle Transparenz also. Damit steigt auch die eigene Wertschätzung, sodass man nie verschwenderisch oder achtlos mit den erzeugten Sachen umgeht. Das habe ich jetzt aber alles einmal absichtlich beiseite gelassen, um zu zeigen, dass es trotzdem genug Gründe gibt. Bevor es Supermärkte gab, war auch nicht jeder ein Öko.


Klar, eine umfassende Lösung ist nicht so einfach und da endet meine Träumerei. Aber jeder kann einen Anfang machen. Und für mich ist es auch manchmal nur, kein Backpapier zu nutzen und mir die paar Minuten zum gründlichen Fetten des Blechs zu nehmen. Zumindest aus der Not heraus hat jeder schonmal etwas ähnliches gemacht und dabei erlebt, dass es sich gut anfühlt, unabhängig zu sein oder seinen Erfindungsreichtum zu nutzen. Also frag Dich selbst, ob es nicht noch mehr gibt, was du 2018 einfach nicht mehr kaufst, sondern selber machst!