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Die Reise geht weiter

Wir haben eine schöne und ruhige Zeit bei unseren Familien verbracht, alte Freunde getroffen und uns ausgeruht. Während wir langsam anfingen, nach Gastgebern für das neue Jahr zu suchen, haben wir eine Anfrage von einem Paar aus Schweden bekommen, das in Frankreich lebt. Die beiden haben 12 Pferde und ein kleines Schlösschen auf dem Land zwischen Paris und der Atlantikküste. Wir waren sofort begeistert, nach einem Pferdehof hatten wir schon länger Ausschau gehalten und Richard und Camilla sind die Geschäftsführer eines Unternehmens für Outdoor- und Kayakausrüstung, was natürlich für Arno sehr interessant ist. Nach einem Gespräch über Skype sind wir überzeugt, dass die beiden sehr nett sind und wir bereiten unsere Anreise vor.

Da es auf dem Weg liegt und die Distanz bis nach Frankreich ziemlich groß ist, schlafen wir 2 Nächte auf Lydias Schafhof. Das Wiedersehen ist sehr schön, denn die junge Amerikanerin ist auch noch da und wir sehen die Fortschritte in Küche und Bad. Die Zugreise nach Frankreich ist etwas nervenaufreibend, da gerade ein großer Sturm über Deutschland zieht und einige Züge komplett ausfallen. Es betrifft auch uns mit unseren lange im Voraus gebuchten Tickets, aber glücklicherweise bezahlt die Bahn uns alle Umbuchungen und wir kommen nur eine Stunde später als ursprünglich geplant an unserem Ziel an. Richard holt uns vom Bahnhof ab und wir essen gemeinsam Abendbrot, das Camilla schon vorbereitet hat.

Als wir unser kleines Steinhäuschen beziehen, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir haben einen tollen Kamin und alles ist wunderschön und süß dekoriert. Camilla  hat alles selbst gebaut und eingerichtet, größtenteils mit Möbeln vom Flohmarkt. Wir sind verliebt in die einfache, rustikale Einrichtung.

An unserem ersten Tag stellt sie uns alle Pferde vor, wir füttern sie und putzen einige von ihnen. Camilla und Richard sind früher auf Turniere gegangen und haben viel Geld. Deshalb haben sie auch einige Perlen im Stall stehen. Die Pferde haben ein sehr schönes Leben auf riesigen Weiden, wo sie auch übernachten.

Okidoki, Tentacion und Doobie Dam sind Selle Francais, eine französische Springpferderasse und sehr empfindlich. Wir haben uns gleich am ersten Tag um sie gekümmert, sie geputzt und abgewaschen, Wunden versorgt und viel gestreichelt. Unsere Lieblinge sind aber die Criollos Obispo, Cahid, Ventiotcho und Botero. Die argentinischen Arbeitspferde sind extrem robust und gutmütig, leicht zu halten und zu reiten. Botero hat seit 20 Jahren keinen Tierarzt gesehen. Sie stehen mit Nico zusammen, einem sanften Riesen, der ebenfalls ein Selle Francais ist.

Schließlich gibt es noch eine Weide mit den 2 Halbstarken Ferdinand und Fellini und dem alten erfahrenen Elan (Connemara), einem ehemaligen Turnierpony.

Unser Herz hat aber Gregers* erobert, ein über 30jähriges Falabella (die kleinste Pferderasse der Welt). Er läuft frei auf dem Gelände umher und ist eher wie ein großer Hund, oder wie Richard sagt: "Im Winter sieht er aus wie ein kleiner Bison". Er ist äußerst verfressen und klaut uns beim Vespern vor dem Stall die Kekse vom Tisch. Er ist der Liebling der Familie und weiß es auch!

Schlussendlich gibt es noch die beiden Golden Retriever-Hündinnen Babe (15 Jahre) und Lisa (2), die sehr freundlich sind. Unsere Arbeit ist hier sehr einfach und erholsam, außer dem Versorgen der Tiere müssen wir nur täglich das Holz hacken, um unser Häuschen zu heizen. Wir haben in den ersten Tagen viel geschlafen, gelesen, gekocht und die Ruhe hier genossen.

Am Samstag waren wir in Laval, dem nächstgrößeren Ort, auf dem Flohmarkt. Eine gemeinnützige Organisation nimmt hier alle möglichen Spenden an und gibt sie an Obdachlose, die auf dem gut organisierten Flohmarkt alles verkaufen und die Erlöse behalten dürfen. Camilla kauft hier fast alle Möbel und Haushaltssachen ein. Es hat großen Spaß gemacht und der Flohmarkt findet jede Woche statt. Wir werden auf jeden Fall noch einige Male hingehen.

Anschließend hat Richard uns noch auf den Wochenmarkt mitgenommen. Hier gab es einiges zu bestaunen, vor allem die alten Leute hier aus der Umgebung, die sehr einfach leben und an ihrem winzigen Marktstand selbst angebautes Gemüse verkaufen. Eine alte Dame gibt uns noch ein schönes Rezept für den gerade gekauften Topinambur mit auf den Weg. Dann gibt es frische Galettes, das sind herzhafte Crepes aus Buchweizenmehl. Das Highlight kommt danach (wobei, das werden wir eher nicht nochmal essen...): Richard nimmt uns mit zum Austernstand. Die Austern werden morgens im Atlantik gefangen und fahren dann etwa 1,5h bis zum Markt, wo man sie frisch kaufen kann. Dadurch sind sie auch viel günstiger als sonst, trotzdem sie aus einer von Gourmets bevorzugten Austernzuchtregion stammen. Jeder von uns isst eine Auster direkt am Stand. Wir müssen sie uns ziemlich reinquälen. Laura isst sowieso keine Meeresfrüchte und auch für Arno ist die Konsistenz (wenn man es so nennen kann) unangenehm, und dann noch der saure Nachgeschmack... Ein Schluck Meerwasser tut es für uns auch, aber es war ein Erlebnis der besonderen Art!

Am Sonntag sind Richard und Laura das erste Mal auf dem Reitplatz geritten. Laura auf Obisbo und Richard auf Nico. Es war sehr schön und hat super geklappt, nach der Reitstunde ging es noch für 20 Minuten ins Gelände um das Chateau herum. Das Wetter soll nun auch endlich besser werden, sodass wir häufiger reiten können. Die Luft ist zwar sehr mild, aber wir hatten seit unserer Ankunft viel Regen.

Nach und nach lernen wir alle Pferde und ihre Eigenheiten kennen und genießen es sehr, hier zu sein. Mal sehen, was die kommenden Wochen so bringen.

 

* sprich "Gregersch" (dänischer Name)