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Warum eigentlich Selbstversorgung?

Aha, und ihr wollt euch also selbst versorgen? Soso, na wenn ihr gerne im Winter friert...

Muss es denn immer gleich so radikal sein? Es gibt doch schon tolle Ansätze heutzutage.

Naja, aber das kann ja sowieso nicht jeder machen, wie soll das denn gehen?

 

Solche Sätze und Bedenken bekommen wir sehr häufig zu hören. Häufig machen sich Menschen Sorgen um uns, weil sie sich einfach nicht vorstellen können, wie Selbstversorgung aussehen soll oder weil sie selbst nie damit in Berührung gekommen sind. Vielleicht spielt auch eine gewisse Angst mit hinein, dass wir zu ungewaschenen Aussteigern werden könnten, die sich vollkommen vom Rest der Gesellschaft abkapseln.

All diese Fragen und Hinweise sind nur gut gemeint und auch irgendwie verständlich. Deshalb wird es doch mal Zeit für einen Beitrag von uns zu diesem Thema.

Wie sind wir überhaupt darauf gekommen, Selbstversorger werden zu wollen (diesen Wunsch haben wir beide unabhängig voneinander entwickelt, noch bevor wir uns kennengelernt haben)?

 

Nun, letztendlich ist es nichts anderes als logische Schlussfolgerung und Konsequenz. Die Frage, wie zukünftig das Leben der Menschen auf der Erde aussehen soll, hat sich wohl jeder schon einmal gestellt. Unsere Luft und unser Wasser werden immer dreckiger und knapper, Wälder werden in unvorstellbarem Ausmaß abgeholzt, das Öl wird irgendwann ausgehen und es sind keine echten Alternativen beim Thema Energiegewinnung in Sicht. Wir verseuchen Böden und Grundwasser mit Gülle und Antibiotika aus Massentierhaltung, Insekten sterben massenweise aus, weil sie den Pestiziden, mit denen wir unsere Äcker vergiften, nichts entgegenzusetzen haben. Das alles sind traurige Wahrheiten und leider keine leere Panikmache. Unsere Bevölkerung wächst immer mehr und unsere Umwelt muss weiterhin unsere Lebensgrundlage bleiben, allen technischen Neuerungen zum Trotz. Denn weder Geld noch Smartphones kann man essen (wie schon die Indianer wussten).

Alle diese Probleme führen schon heute in weiten Teilen der Welt zum Krieg und zu Flüchtlingsströmen. Große Konzerne beuten Natur und Arbeiter aus. Wir in Europa bekommen davon wenig mit. Es ist leicht, das alles auszublenden und so zu tun, als ob man dagegen machtlos wäre. Aber das stimmt nicht. Wir verdrängen diese Probleme, weil sie unseren Alltag nicht betreffen. Wären wir in Afrika oder Südostasien geboren, sähe das schon ganz anders aus.

Die meisten von uns wissen, dass man als Verbraucher eine gewisse Macht hat. Je nachdem, was wir kaufen, so entwickeln sich auch Politik und Wirtschaft. Wenn keiner mehr bei H&M kauft, weil niemand mehr Kinderarbeit unterstützen will, dann wird das Unternehmen pleite gehen oder die Produktionsbedingungen verbessern. Das ist eine einfache Logik, die man in jedem Ökonomiebuch nachlesen kann.

Nun gut, aber wenn man das konsequent reflektiert, findet man oft auf dem herkömmlichen Markt keine bessere Alternative.

Überall ist irgendetwas in der Produktion oder auf der Zutatenliste faul. Will man große Unternehmen wie Unilever oder Nestle boykottieren, um deren Machenschaften nicht zu unterstützen, fällt schon die Hälfte der Waren im Supermarkt weg. Ist man dann noch gesundheitsbewusst, und möchte vielleicht auf zugesetzte Zucker, Aromen, Konservierungs- und fragwürdige Zusatzstoffe verzichten, fällt nochmals ein riesiges Angebot aus dem Rahmen. Möchte man Plastik vermeiden, weil es unsere Ozeane vermüllt und sich nicht abbaut, braucht man eigentlich gar nicht erst einen Fuß ins Einkaufszentrum zu setzen.

Man hat generell 2 Möglichkeiten: Entweder man resigniert und macht einfach weiter wie bisher, weil man seinen eigenen Einfluss auf diese ganzen Probleme als viel zu gering einschätzt. Sollen "die da oben" doch machen, das ist Aufgabe der Politik.

Oder man sieht ein, dass wenn jeder Mensch so nachhaltig wie möglich handelt oder auch nur kleine Schritte geht, eine Riesenveränderung gemacht werden kann. Wie kann das nun konkret aussehen?

Es gibt viele verschiedene Ansätze, um diese Probleme anzugehen. Nichtregierungsorganisationen, Naturschutzverbände, konsumkritische Netzwerke, der Faire Handel etc. beschäftigen sich schon seit Jahren damit und haben viele Studien und Untersuchungen in Auftrag gegeben. Wenn man gezielt nach solchen Informationen sucht, kann man auch mit wenig Zeit und Geld effektiv etwas bewirken. Es macht zum Beispiel wenig Sinn, Wasser zu sparen, aber häufig zu fliegen. Fliegen ist die umweltschädlichste Fortbewegungsmethode überhaupt und kann nicht einfach mit ansonsten umweltschonendem Verhalten aufgewogen werden. Das ist nur ein Beispiel, der Kern der Aussage ist: Auch kleine Schritte machen einen Unterschied, aber sie dürfen nicht an der Oberfläche kratzen, sondern müssen an der Wurzel des Problems anpacken.

Das erfordert viel Muße und Eigeninitiative. Beispiel Lebensmitteleinkauf: Wenn einem besonders die Umwelt am Herzen liegt, gilt folgende Prämisse: Kein Plastik, biologischer Anbau (am besten mit dem demeter-Siegel, das ist das strengste; EU-Bio eher nur ein schwacher Mindeststandard), saisonal und regional.

Warum? Weil Gemüse, das aus der Nähe kommt und gerade Saison hat, viel weniger Ressourcen verbraucht als die Tomaten aus Spanien, die man im Dezember kauft. Da kommt das nächste "Problem": Man muss seinen Speiseplan auf das anpassen, was uns die Natur zur gegebenen Jahreszeit zur Verfügung stellt. Außerdem findet man in kaum einem Supermarkt auch nur eine einzige Gemüsesorte, die alle 4 Kriterien erfüllt.

Was hat man dann noch für Möglichkeiten? Kleine Bioläden, die nicht zu einer großen Kette gehören, bieten häufig unbehandeltes Gemüse vom Bauern um die Ecke an. Brot kann man leicht selbst backen, oder man nimmt einige Umwege in Kauf, bis man einen Bäcker gefunden hat, der wirklich noch selbst und mit Sauerteig backt. Ebenso kann man sein Grünzeug auf dem Wochenmarkt direkt beim Erzeuger kaufen, ähnliches gilt auch für Milchprodukte.

Bei Fleisch ist es schwierig. Umweltschützer, bekannte Köche und auch Ärzte sind sich einig, dass wenig, aber dafür gutes Fleisch auf dem Teller landen soll. Heißt, man muss den Erzeuger entweder kennen oder besuchen, oder man verlässt sich auf ein gutes Biosiegel mit hohem Standard (demeter, Naturland etc.). Dafür muss man sich erstmal lange informieren und selbst kritisch hinterfragen. Aber es lohnt sich, man kann damit so viel verändern. Jeder Kassenbon ist ein Stimmzettel, welchen Umgang wir mit Natur und Mensch wollen. Und bei der heutigen Flut von Informationen, die uns zugänglich sind, ist es keine Ausrede mehr, dass man von nichts gewusst hat.

Brisant ist auch das Thema Kleidung, definieren wir uns doch häufig sehr stark über unser Aussehen und das, was wir tragen. Das ist eigentlich ein gutes Stichwort, denn wir tragen ja meist paradoxerweise "stylische" Kleidung, die aber unter übelsten Bedingungen hergestellt wurde. Billigste Mode auf Kosten Anderer. Und damit setzen wir noch ein "Fashion-Statement". Im schlimmsten Fall tragen wir das Kleidungsstück einige Male und sortieren es dann aus, um Platz für Neues zu schaffen. Dabei vergessen wir gerne, dass die Baumwollproduktion extrem viel Wasser verbraucht, und das in Ländern, wo Wasser knapp ist.

Die Lösung hier: Weniger ist mehr. Natürlich ist fair gehandelte Kleidung, möglichst noch aus Naturmaterialien, sehr teuer. Aber wenn wir unser Konsumverhalten verbessern wollen, wieso kaufen wir dann nicht wie beim Fleisch - weniger, aber dafür besser? Braucht es pro Jahr wirklich mehrere Paar neue Schuhe oder reicht vielleicht auch eins, das langlebig hergestellt wurde und zeitlos designt ist? Genügsamkeit ist hier das Stichwort. Ansonsten ist es auch extrem umweltfreundlich, einfach gebrauchte Kleidung zu kaufen. Es gibt unzählige Internetseiten, wo das problemlos möglich ist.

 

Während des Studiums haben wir also bio, möglichst unverpackt, regional und so saisonal wie möglich gegessen (natürlich mit Kompromissen, keiner ist perfekt) und gebrauchte oder faire Kleidung gekauft. Wir haben aber gemerkt, dass wir mehr wollen. Gerade der Plastikverzicht ist extrem schwer, besonders bei Trockenwaren und irgendwie wollten wir die größtmögliche Transparenz und Unabhängigkeit. Wir wollen uns nicht von den bestehenden Produkten vorschreiben lassen, dass in einer Nuss-Nougat-Creme immer Palmöl drin sein muss. Dann machen wir sie eben selbst.

Und das ist schon die ganze Geschichte.

 

Zum Schluss noch ein paar Fragen zum Dogmatismus. Wollen wir ohne Strom leben? Wollen wir Versicherungen bezahlen? Wollen wir Internet nutzen? Und was machen wir, wenn wir eine Sache unbedingt konsumieren möchten, die wir nicht selbst herstellen können? Es gibt auf alles eine Antwort. Manche Antworten suchen wir gerade auf der Reise, andere haben wir schon gefunden. Dinge, die man selbst nicht herstellen kann oder will, kann man tauschen. Nein, wir wollen nicht nur für unseren Hof leben, sondern auch mit einem sinnerfüllten Beruf etwas Geld verdienen. Nein, es geht uns nicht darum, einfach aus Prinzip etwas abzulehnen und dagegen zu sein. Alles, was wir anders machen, machen wir, weil wir es für eine echte Alternative halten und daran glauben, dass es mehr Menschen so machen sollten. Und deshalb fangen wir bei uns selbst an.

 

Was ist jetzt, wenn man konsequent etwas verändern möchte, aber nicht gerne gärtnert? Es geht nicht unbedingt darum, dass jeder Selbstversorger werden soll. Arbeitsteilung ist eine gute Erfindung, die man nicht zwingend neu denken muss. Für uns passt es einfach, weil wir es als eine erfüllende Tätigkeit empfinden. Ansonsten gibt es jede Menge Organisationen und unkonventionelle Alternativen, die sich über Unterstützung freuen. Zum Beispiel Solidarische Landwirtschaft, FoodCoops, Foodsharing etc. Man muss nur wirklich etwas Zeit in die Recherche investieren. Aber auf keinen Fall ist es so, dass es keine Alternativen gäbe.

 

 

Links zum Informieren:

 

https://www.welt.de/welt_print/wissen/article6839727/2000-Liter-Wasser-fuer-ein-T-Shirt.html

https://utopia.de/

https://experimentselbstversorgung.net/blog/

https://www.bund.net/massentierhaltung/haltungskennzeichnung/bio-siegel/

http://www.forum-fairer-handel.de/

http://wegreen.de/

Filme: Projekt A, Tomorrow - die Welt ist voller Lösungen, We Feed The World, 10 Milliarden