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Drei Tage Knäckebrot und Wasser

[Arno]

Als wir die nächste Station unserer Reise in Schweden festgelegt hatten, war mir sofort klar, dass ich die vielen Wälder und das Jedermannsrecht ausnutzen werde, um eine kleine "Wildniswanderung" zu machen. Hier ist es nämlich erlaubt, unter wenigen Bedingungen selbst auf Privatgrundstücken eine Nacht zu campieren oder auch Feuer zu machen! In Deutschland ist das "Schlafen im Wald" eher eine Grauzone, Feuer machen aber grundsätzlich ein Problem. Ich ergreife also die Gelegenheit, um die schwedische Landschaft hautnah zu erleben.

Kurz vor Ende der Zeit in Hornudden habe ich auch den passenden Termin gefunden und bin am Sonntag direkt nach Feierabend in den Bus gestiegen. Mit Vorfreude auf Abstand zum lauten, stressigen Arbeitsalltag und tolle Natur. Im Gepäck habe ich alles bei mir, was ich für die nächsten 72 Stunden brauche. Schlafsack, Wolldecke und Zeltplane als Unterkunft, reichlich Verpflegung und 3l Wasser für den Start. An Essen habe ich hauptsächlich ausgewählt, was hier auf dem Hof für mich ohne Zusatzkosten verfügbar ist und den Anforderungen an einen Wanderausflug gerecht wird. Die Lebensmittel sollen pro Gewicht möglichst energiereich, leicht zu transportieren und ohne Kühlung haltbar sein. Ich habe mir folgende Tagesration zusammengestellt:

2 Räder Knäckebrot (~220g)

100g Butter

125g Reis

1/3 Tube Tomatenmark

ca. 3 EL Honig

ca. 60g Haferflocken für Porridge mit Zucker und Salz vorgemischt

1 Erdnusskrokantriegel

40g Schokolade (wichtig für die Stimmung)

1 Paprika (Luxus, weil schwer)

Außerdem habe ich noch ein paar Kräuter aus dem Küchengarten, Kaffeepulver und Salz eingepackt. Insgesamt komme ich auf etwa 3000kcal pro Tag. Bei hoher körperlicher Belastung sollte das auch nicht weniger sein. Vier volle Mahlzeiten plus ein paar Snacks sind der nötige "Treibstoff".

Genau das sage ich mir auch selbst, als ich Sonntag abend aus dem Zug aussteige und den schweren Rucksack aufsetze. Am ersten Tag habe ich mir wenigstens keine Strecke vorgenommen, sonden suche mir direkt ein Nachtlager.
Leider zeigt sich schnell, dass es nichts wird mit Outdoor-Romantik und einfach dem Konzert der Vögel und raschelnden Zweige lauschen: viele Mücken hier! Die erste Handlung ist also, ein Feuer in Gang zu bringen und so etwas Schutz zu bekommen. Aber auch am Feuer sitzen macht so keinen Spaß und nach dem Essen verschwinde ich lieber direkt im Schlafsack mit Insektennetz. Die erste Nacht ist kühl und kurz, ich stehe mit dem Morgengrauen auf, bringe sofort das Feuer wieder in Gang. Das geht mit Tannenreisig und Birkenrinde glücklicherweise in wenigen Sekunden. Kaffee und Porridge werden nacheinander gekocht - ich habe nur einen Metallbecher von meiner Feldflasche als Kochtopf. Den Kaffee gieße ich in eine Falttasse um, wobei ich gleich das Pulver trenne und der Porridge wird direkt aus dem Topf gegessen. Der Abwasch kostet so schon viel Wasser, dass ja alles mühevoll mitgetragen wird. Ich notiere aber: 3l sind gerade ausreichend für das Nachtlager inklusive Abendessen, Frühstück und etwas Trinkwasser, um am nächsten Tag bis zu einer Auffüllgelegenheit zu kommen.

Am zweiten Tag nehme ich nochmal einen Bus in das abgelegene Dorf Bergsjö, von wo aus ich meine eigentliche Wanderung starte. Es geht entlang einer wenig befahrenen Straße und mittags erreiche ich mein Ziel: Die traditionelle Axtschmiede Gränsfors Bruk. Davon hatte mir in Greifswald ein Studienkollege erzählt und ich habe es jetzt als Aufhänger für meinen Ausflug genutzt. Ich besuche das kleine Axtmuseum auf dem Gelände und sehe mit Staunen zu, wie die Arbeiter mit Geschick und Feingefühl die Axtköpfe unter dem mechanischen Schmiedehammer formen. Wenn ich mal eine Axt brauche, weiß ich, woher ich sie beziehen werde!

Als Letztes fülle ich meine Flaschen und breche in Richtung Süden auf. Ich habe noch genau 48 Stunden, bis mein Zug im etwa 45 km Entfernung abfährt. Das Gute ist, dass ich jederzeit die Option habe, doch noch den Bus zu nehmen. Also kann ich es ganz ruhig angehen und mache noch eine ausgedehnte Kaffeepause, oder Fika wie es hier ja heißt, an einem gemütlichen See direkt neben der Straße. Noch zwei Stunden wandern für heute, entscheide ich und suche mir wieder ein gemütliches Nachtlager im Wald. Diesmal fühle ich mich schon richtig eingespielt: Der Aufbau meiner kleinen Unterkunft ist fertig, bevor sich ein richtiger Mückenschwarm um mich gebildet hat und dann brennt auch schon mein kleines Feuer. Nachdem ich am ersten abend noch Mitgebrachtes gegessen hatte, koche ich heute richtig was: Gegrillte Paprika in Gewürzreis. Super lecker! Ich genieße den Abend richtig und lege mich zufrieden ins "Waldläuferbett".

Übrigens habe ich keine Isomatte dabei, aus Gewichts- und Platzgründen. Statt dessen habe ich lieber meine etwas sperrigere Wolldecke eingepackt. Die liegt unter meinem leichten Schlafsack und wenn es kühl wird, wickel ich mich ganz darin ein. Und wenn man eine gute Stelle am Waldboden findet, ist das Moos allein schon unglaublich bequem! Und die zweite Nacht auf diesem Bett ist selbst für mich erstaunlich erholsam.

Jetzt steht die längste Etappe an. Ich möchte es bis zu einem See am Rand des Zielortes schaffen. Die Route führt mich glücklicherweise über wunderschöne Wege an Pferdeweiden und Wäldern entlang. Die Mittagspause mache ich an einem klaren Flüsschen, aus dem ich ohne Bedenken meinen Wasservorrat fülle. Außerdem entdecke ich hier Wald-Erdbeeren am Straßenrand. Sie sind zwar klein, aber so aromatisch, dass sich das Sammeln lohnt. Und gut für meine Stimmung, denn es ist gerade heute sehr heiß. Meine Motivation ist aber auch, bald an dem See anzukommen und baden zu gehen.

Am späten Nachmittag ist es so weit. Ab jetzt nur noch ausruhen! Ich geselle mich zu einer öffentlichen Badestelle und genieße, dass es keine Mücken gibt. Hier nutze ich auch die offizielle Feuerstelle und einen Grillrost, der daneben liegt. Heute gibt es kleine Abwandlungen im Menü: Die gegrillte Paprika esse ich als Vorspeise nur mit etwas Salz und kreiere einen leckeren tomatisierten Reistopf zum Hauptgang. Das Kochen macht mit dem Rost über der Glut richtig Freude. Ich sitze noch lange im Sonnenuntergang am Wasser und lese, danach ziehe ich mich für die Nacht in eine Schutzhütte zurück.

Dritter Morgen, letzte Etappe - ich rechne noch mit etwa drei Stunden Fußweg, mein Zug fährt am Nachmittag ab. Jetzt steckt mir aber schon die geschaffte Strecke in den Knochen und der Rest zieht sich sehr. Besonders, als ich die Siedlung erreiche und nicht mehr in der Landschaft herumschauen kann. Ich nehme aber nochmal alle Kräfte zusammen und mache es lieber "in einem Rutsch". Dafür gönne ich mir eine lange Mittagspause, mit Nickerchen im Hafen von Hudiksvall, bevor mich der Zug wieder zurück nach Hornudden bringt.

Auf der Rückfahrt habe ich die Gelegenheit, mir die Erlebnisse von meinem kleinen Abenteuer auf der Zunge zergehen zu lassen. Jedenfalls sind meine Gedanken in den drei Tagen weiter gewandert als meine Füße. Nachdem ich am Anfang noch eine Mischung aus Aufregung und Neugier empfunden habe, spürte ich am zweiten Tag eine Einsamkeit, die ich so noch nicht kannte. Ich merke, dass ich noch unter dem Eindruck der Abfahrt von drei anderen Freiwilligen stehe, die eine fröhliche Runde waren und mir mehr ans Herz gewachsen sind, als ich es mir eingestanden hatte. Ich nehme von der Wanderung also besonders die Erkenntnis mit nach Hause, wie viel mir eine Gruppe Gleichgesinnter bedeuten kann.

 

 

Am Morgen meines erstes Nachtlagers:

Zweiter Tag

Drittes Nachtlager:

Dritter Tag:

Drittes Nachtlager:

Letzter Tag: