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Neue Wege

In den letzten Tagen stand einiges an Gartenarbeit an. Beete mussten abgeerntet und die Ernte verarbeitet werden. Danach wurde das letzte Unkraut entfernt und die Beete mit Pferdemist gedüngt. Wir haben Tomaten umgetopft, Kohlpflanzen in die Hochbeete draußen gesetzt und Salat in die Gewächshäuser gepflanzt. Ein zweites Lamm ist auch geboren, das ein bisschen wie ein Panda aussieht.

Am Mittwoch wurde es dann ernst: die Vorbereitungen für den Men's Circle liefen auf Hochtouren. Flor ist eines der Gründungsmitglieder dieser Gruppe Männer, die sich regelmäßig treffen, um Kommunikation zu üben, Spiele zu spielen, Musik zu machen oder Geschichten zu erzählen. Am Wochenende wurde diese lokale Runde um Männer aus unterschiedlichen Teilen Irlands, der Schweiz und Amerika erweitert. Sie alle kamen hierher, um zu sich selbst zu finden, die harte Schale für einige Tage abzulegen und sich zu trauen, Hilfe anzunehmen und über ihre Gefühle zu sprechen. Begleitet wurde das Ganze von Grandfather, einem von Indianern abstammenden älteren Herren, der traditionelles Wissen und Rituale mit Anderen teilt. So hat er zum Beispiel eine Schwitzhütte aufgebaut, Trommelkreise und Gebete angeleitet und Geschichten erzählt.

Arno fasst es so zusammen:

In den Gesprächsrunden ging es darum, was es bedeutet ein Mann zu sein, welche Verantwortungen sich daraus - vor allem auch gegenüber Frauen - ergeben und wie sich die Männerorganisationen in Irland aktuell entwickeln. Jeder hat im "Zirkel" dieselbe Aufmerksamkeit bekommen und konnte erzählen, was ihn gerade bewegt. Auch wenn er es im Alltag vielleicht anders aussehen lässt, hat schließlich jeder seine Probleme. Generell wird Männern ja abtrainiert, ihr Herz zu öffnen, Gefühle zuzulassen und diese auch zu kommunizieren. Der "Men's Circle" bietet die vertrauensvolle Atmosphäre der gegenseitigen Unterstützung, die es erstaunlich leicht macht, Kummer und Sorgen loszuwerden und sich in die Arme der Anderen Fallen zu lassen.

Arno hat die vergünstigte Teilnahme an dem Wochenende angeboten bekommen und diese einmalige Gelegenheit genutzt. Deshalb haben ich und Hannah, die deutsche Freiwillige, einen Ausflug nach Connemara gemacht und für eine Nacht in einem Hostel geschlafen. Marion hatte an diesem Wochenende ein Netzwerktreffen mit anderen Umweltpädagogen und hat uns ein Stück mit dem Auto mitgenommen. Danach ging es noch 2 Stunden weiter mit dem Bus an die Küste. Am Samstag sind wir in Letterfrack ausgestiegen, dem Tor zum Nationalpark. Dort haben wir den 400m hohen Diamond Hill "bestiegen". Von oben hat man einen wunderschönen Blick auf die umliegenden Hügel, Seen, die Moor- und Küstenlandschaft mit herrlichen Stränden. Leider hat uns in der Mittagspause auf dem Gipfel ein kräftiger Schauer erwischt, der etwa eine halbe Stunde anhielt. Der Abstieg war demzufolge eher eilig, aber danach haben wir im Nationalparkzentrum noch eine interessante, kostenlose Ausstellung zur Landschaftsgeschichte in Connemara angesehen. Am Abend haben wir dann unser Zimmer im Hostel bezogen. Wir waren uns einig, dass das die schönste Unterkunft ist, die wir je gesehen haben. Die nur 6 Zimmer, das Bad und das gemütliche Wohnzimmer mit Kamin waren so liebevoll eingerichtet und zum Frühstück gab es selbstgebackene Scones mit Eiern von den eigenen Hühnern. Und das Ganze für nur 15€ pro Person! Das war ein echter Glücksgriff.

Am Sonntag sind wir dann nach Clifden, in die Hauptstadt von Connemara, gefahren. Die kleine Stadt an der Küste ist durch und durch irisch. Bunte Häuserfassaden, kleine Läden, jede Menge Künstler und freundliche Menschen mit unverständlichem Akzent. Es war ein toller Ausflug, der uns die Vielfalt und Schönheit dieser Insel nochmal vor Augen geführt hat.

Die Rückkehr am Sonntag Nachmittag war schon sehr besonders. Als wir die Küche betraten, gab es überall strahlende Gesichter, leuchtende Augen und Männer, die sich auf die Schulter geklopft oder sich fest umarmt haben. In einer Ecke haben 3 Männer irische Folk-Musik gespielt, es war eine tolle Atmosphäre.

Nach der Schwitzhüttenzeremonie und den ganzen Eindrücken waren alle erschöpft und viele haben sich schlafen gelegt. Arno hat in 2 Tagen riesige positive Veränderungen durchlaufen, die ich nur erahnen kann. Aber schon beim Betreten des Raumes strahlt er mich an, ich höre ihn tiefgehende Gespräche mit Männern führen, die er vor 2 Tagen nichtmal kannte und auch als er mir anschließend bis spätabends berichtet, was in ihm vorgeht, merke ich, dass hier mehr als nur Bogenschießen abgelaufen ist. Als er schließlich einschläft, gehe ich nochmal in die Küche und einige der anderen Männer erzählen mir ebenfalls von ihren Erfahrungen. Es ist schon erstaunlich, welchem Druck man manchmal - sowohl als Mann, als auch als Frau - in unserer Gesellschaft ausgesetzt ist. Man kann richtig die Erleichterung spüren, mit der manche Männer erzählen, wie sie endlich auch mal weinen und ihre echten Gefühle rauslassen konnten, anstatt immer nur eine Mauer um sich aufzubauen. Als mich um 11 Uhr der letzte Mann in der Küche zurücklässt, sagt er mit einem Lächeln zu mir: "Go, cuddle your man now."

Und das mache ich dann auch.